Rund ein Drittel der weiblichen Erwachsenen leidet unter Senkungsproblemen, verbunden mit Harn- oder Stuhlinkontinenz. Der Beckenboden der Frau stellt ein komplexes Organsystem dar. Für den Funktionserhalt ist das Zusammenwirken von Muskeln, Bändern, Nerven und anderen Strukturen notwendig. Aufgrund des komplexen Aufbaus des Beckenbodens der Frau stellt die Diagnostik und Behandlung eine große Herausforderung dar.
Durch die Evolution des aufrechten Gangs ist der Beckenboden des Menschen den Wirkungen der Schwerkraft ausgesetzt. Besonders betroffen davon ist der Beckenboden der Frau. Deshalb zählt die Genitalsenkung zu den häufigsten Krankheitsbildern in der Frauenheilkunde. Die Wahrscheinlichkeit, an einem so genannten Genitaldeszensus zu erkranken, steigt mit zunehmendem Lebensalter. Faktoren wie Mangel an weiblichen Hormonen, Übergewicht (Adipositas), schweres körperliches Arbeiten, schwere vaginale Geburten oder eine genetisch bedingte Gewebsschwäche erhöhen das Risiko.
Die Symptome einer Genitalsenkung können sehr unterschiedlich sein:
Die Genitalsenkung der Frau kann in verschiedenen Bereichen des Beckenbodens lokalisiert sein. Im vorderen Bereich handelt es sich um die Senkung der vorderen Vaginalwand, die Blasensenkung (Cystocele). Im mittleren Bereich ist es die Senkung der Gebärmutter, des Gebärmutterhalses oder die Senkung des Scheidenendes bei Zustand nach Gebärmutterentfernung, im hinteren Bereich die Senkung der hinteren Vaginalwand und somit des Enddarmes.
Zur Festlegung einer individuellen Therapie sind aufwändige Untersuchungen wie etwa die Erhebung der Krankengeschichte, eine urogynäkologische Untersuchung, die Introitussonographie und die Blasendruckmessung (urodynamische Untersuchung) notwendig. Diese Untersuchungen werden von unserem Team im Rahmen der urogynäkologischen Sprechstunde durchgeführt.
Introitussonografie
Bei dieser Ultraschalluntersuchung kann der Beckenboden und dessen Funktion sowie die Form der Harnblase und der Harnröhre beurteilt werden.
Die konservative Behandlung der Genitalsenkung, die ambulant durchgeführt wird, umfasst unter anderem:
Auch eine Änderung der Lebensgewohnheiten der Patientin durch Gewichtsreduktion, körperliche Bewegung u. a. kann empfehlenswert sein.
Wenn eine operative Therapie nach Ausschöpfung der konservativen Behandlungsmaßnahmen notwendig wird, muss sie mehrere Ziele erfüllen. Zunächst müssen die Genitalsenkung und die damit einhergehenden Beschwerden behoben werden. Darüber hinaus soll die Fähigkeit zum Ausüben des Geschlechtsverkehrs (Kohabitationsfähigkeit) erhalten bleiben bzw. verbessert werden. Eine Gebärmutterentfernung muss nicht immer Teil einer Senkungsoperation sein.
Der Einsatz von unnötigen künstlichen Geweben, wie grossflächigen Netzen sollte hierbei unbedingt vermieden werden.
Vordere Beckenbodenplastik (Vaginale Vorderwandplastik)
Verschiedene Operationsmethoden führen wir in unserer Klinik routinemäßig durch. Dazu gehört die so genannte „Vordere Beckenbodenplastik". Plastik bedeutet in diesem Zusammenhang „Wiederherstellung". Dieser Eingriff kann notwendig werden bei einem Blasenvorfall oder einer Blasensenkung. Er kann entweder mit Erhalt der Gebärmutter oder in Kombination mit einer Entfernung der Gebärmutter bei zusätzlichem Vorfall oder bei anderen Indikationen durchgeführt werden. Die vordere Beckenbodenplastik kann mit einer Harninkontinenzoperation, wie etwa der modernen Schlingenoperation (TVT-Operation „tension, free, vaginal tape") kombiniert werden.
Hintere Beckenbodenplastik (Vaginale Hinterwandplastik)
Bei einer Senkung der Scheidenhinterwand und der damit verbundenen Senkung des Darmes wird eine hintere Beckenbodenplastik durchgeführt. Besonders bei Stuhlentleerungsstörungen durch eine Senkung in diesem Bereich ist die Operation indiziert. Häufig werden die vordere und hintere Plastik kombiniert.
Scheidenstumpffixation
Kommt es zusätzlich zu einer Senkung der Gebärmutter und / oder des Scheidenendes, so wird nach der Gebärmutterentfernung auch eine Fixierung der Scheide durchgeführt. Hierfür stehen unterschiedliche Operationsverfahren zur Verfügung, die je nach vorliegenden Befund und Lebensalter der Patientin ausgewählt werden.
Scheidenfixation nach Amreich-Richter
Bei der sogenannten Scheidenstumpffixation (Vaginaefixatio sacrospinalis vaginalis) nach Amreich-Richter wird das Scheidenende über die Scheide an körpereigenen Bändern des Steißbeines befestigt. Hierfür verwenden wir ein minimal-invasives vaginales System. Dieses erlaubt die Positionierung von Nahtmaterialien tief im Becken, ohne eine aufwendige Freilegung des Operationsgebietes durchführen zu müssen. Bei der Operation kann auch ein schmales künstliches Band eingelegt werden. Hierdurch wird in bestimmten Fällen das Ergebnis noch zusätzlich verbessert.
Laparoskopische Kolposacropexie / Laparoskopische Pectopexie
Eine alternative Operationsmethode ist die Fixierung der Scheide oder des Gebärmutterhalses durch die minimal-invasive Einlage eines künstlichen Gewebes im Rahmen einer Bauchspiegelung. Dieses Verfahren ist besonders für jüngere Patientinnen mit Senkungsbeschwerden geeignet und kann hervorragend mit einer subtotalen Gebärmutterentfernung kombiniert werden. Die anatomischen Ergebnisse sind sehr gut und die Patientinnen nach dieser Operation sehr zufrieden, da insbesondere das Sexualleben nicht unter der Operation leidet.
Vaginale Netzimplantation bei Rezidivsenkung
Kommt es nach einer ersten operativen Behandlung zu einer erneuten Senkung (Rezidiv), kann die Einlage von künstlichen Geweben (Netze) erwogen werden. Nachdem diese Verfahren in den vergangenen Jahren zunächst sehr vielversprechend waren, haben die langfristigen Ergebnisse doch gezeigt, dass die Netze die Erwartungen nicht erfüllen konnten. Inzwischen gibt es jedoch neue, deutlich kleinere Netze, mit besserer Gewebeverträglichkeit, die mit speziellen minimal-invasiven Instrumenten an körpereigenen Strukturen fixiert werden und so bei Rezidiv-Senkungen zu sehr guten Ergebnissen führen.